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NEWSLETTER
03.06.2016
 

Newsletter zu den Abstimmungen vom 5. Juni 2016

Marc Bühlmann und David Zumbach, Année Politique Suisse, Universität Bern

Chronik-ON zu den anstehenden Abstimmungen
Chronik-ON analysiert die Online-Medienberichterstattung zu Abstimmungen, Parteien und Politikern. In wöchentlichen Newslettern begleitete das Projekt die Wahlkampagnen 2015. Mit sporadischen Analysen zu relevanten politischen Ereignissen will Chronik-ON auch weiterhin eine interessierte Leserschaft bedienen. Im heutigen Newsletter analysieren wir die Berichterstattung zu den bevorstehenden Abstimmungen.

Volksinitiativen als Schwungräder
In früheren Newslettern (siehe Newsletter vom 9.3.2015 und vom 26.2.2016) konnte Chronik-ON bereits zeigen, dass Parteien von eigenen Initiativen insofern profitieren, als sie in der Online-Berichterstattung über die entsprechenden Volksbegehren verhältnismässig häufiger genannt werden. In der Politikwissenschaft wird in diesem Zusammenhang von der Schwungrad- oder Mobilisierungsfunktion einer Initiative gesprochen: Ziel hinter dem Lancieren einer eigenen Volksinitiative ist laut dieser Idee nicht nur, dass ein als wichtig erachtetes Thema auf die politische Agenda gebracht und diskutiert wird und im besten Falle gar erfolgreich in den politischen Entscheidungsprozess einfliesst. Vielmehr geht es einer Partei auch darum, selber im Gespräch zu bleiben und für sich selber zu werben – ganz im Sinne von „every day is election day“.

Mit Chronik-ON kann gezeigt werden, dass dieses Kalkül durchaus aufgeht. Bei den Abstimmungen vom 28. Februar 2016 genossen etwa die SVP mit der Durchsetzungsinitiative als auch die CVP mit ihrer Initiative gegen die Heiratsstrafe vergleichsweise mehr Aufmerksamkeit in den Online-Medien als die anderen Parteien. CVP und SVP wurden in der Zeit vor der Februar-Abstimmung insgesamt auch häufiger genannt als ausserhalb dieser Zeitspanne. Freilich zeigte die Analyse der Durchsetzungsinitiative und der Heiratsstrafe auch, dass das Schwungrad für die SVP wesentlich kräftiger war als für die CVP.

Analyse der Vorlagen vom 5. Juni
Die anstehende Abstimmung vom 5. Juni 2016 bietet Gelegenheit, die These der Initiative als Schwungrad weiter zu prüfen. Es stellen sich dabei zwei Fragen. Erstens wird über drei Volksbegehren (bedingungsloses Grundeinkommen, Milchkuh-Initiative, Pro Service Public) abgestimmt, die nicht von Parteien lanciert wurden. Die Frage ist also, wie die Online-Medien im Vorfeld einer Abstimmung über Parteien berichten, wenn diese nicht Urheber einer Vorlage sind. Zweitens stellt sich die Frage, ob neben der Initiative auch die zweite direktdemokratische Waffe zu erhöhter Medienaufmerksamkeit verhilft: Bei einer der beiden Referendumsvorlagen (Änderung des Asylgesetzes) hat bekanntlich die SVP ihr Veto eingelegt.

Die Grafiken zu den drei Initiativen zeichnen ein interessantes und sehr ähnliches Bild. Die Basis der Abbildungen bilden jeweils alle Online-Artikel seit dem 1. Januar 2016, bei denen über eine der drei Initiativen berichtet wird. Gezählt wird sodann die Nennung einer oder mehrerer Parteien und/oder Exponenten einer Partei in diesen Artikeln. Abgebildet sind die Anteile von Parteinennungen am Total aller Online-Artikel seit Beginn der Beobachtungen über eine Abstimmungsvorlage am Ende einer Woche. Mindestens zwei Dinge fallen hier ins Auge.

Abbildung 1: Die Parteien und die Volksinitiative 'Für eine faire Verkehrsfinanzierung' in den Online-Medien

Bemerkungen: Untersuchungszeitraum: 1.1.-3.6.2016; 82 Schweizer Online-Medien; 1404 Artikel mit 2568 Parteinennungen. Die Kalenderwochen 01-10 wurden aufgrund der geringen Anzahl Artikel (Parteinennungen<200) nicht abgebildet.


Als erstes fällt auf, dass die Partei-Nennungen in der Berichterstattung über die drei Initiativen über die Zeit sehr gleichmässig verlaufen. Aus der Kampagnenforschung ist bekannt, dass eine Abstimmungskampagne rund acht Wochen vor einer Abstimmung mehr Aufmerksamkeit generiert und spätestens zwei Wochen vor dem Urnengang einen Höhepunkt auch in der Medienkonzentration generiert. Während sich dieses Muster im Sinne einer starken Zunahme der Parteinennungen von SVP und CVP bei den beiden Initiativen im Februar deutlich gezeigt hat, verlaufen die Kurven bei den hier abgebildeten drei Initiativen im Juni sehr flach und liegen vor allem gegen Ende des Beobachtungszeitraums relativ dicht beisammen. Dies scheint nicht nur die Schwungradthese zu stärken, sondern kann auch so interpretiert werden, dass sich keine von Chronik-ON betrachtete Partei bei den „fremden“ und wenig parteipolitischen Begehren überaus aktiv in den Abstimmungskampf einschaltet – zumindest generiert anscheinend keine der sieben Parteien die nötige Aufmerksamkeit, um von den Online-Medien wahrgenommen und genannt zu werden.

Abbildung 2: Die Parteien und die Volksinitiative 'Pro Service public' in den Online-Medien



Bemerkungen: Untersuchungszeitraum: 1.1.-3.6.2016; 82 Schweizer Online-Medien; 1350 Artikel mit 1661 Parteinennungen. Die Kalenderwochen 01-10 wurden aufgrund der geringen Anzahl Artikel (Parteinennungen<200) nicht abgebildet.

Interessant ist zweitens, dass sich bei der Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht die „gewohnte“ Reihenfolge der Parteinennungen findet: Auch ausserhalb von Abstimmungskampagnen wird in Online-Medien im Normalfall mehr über die SVP berichtet als über alle anderen Parteien. Der SP und der FDP wird in der Regel am zweithäufigsten onlinemediale Aufmerksamkeit entgegen gebracht. Die CVP und die Grünen folgen in der langfristigen Betrachtung auf den Rängen vier und fünf. Am wenigsten Nennungen erhalten die GLP und die BDP. Insgesamt entspricht die Berichterstattung in den Online-Medien also grob den Wählerstimmenanteilen der Parteien bei den letzten eidgenössischen Wahlen. Bei der Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen bringen die SP und die Grünen diese gewohnte Rangliste nun aber durcheinander. Dieser Befund scheint der These von Initiativen als Schwungräder eher zu widersprechen. Weder die SP noch die GP sind Urheber dieses Volksbegehrens und trotzdem erhalten sie mehr Medienaufmerksamkeit. Die direkte Demokratie lässt es also zu, dass Parteien, die sich auch bei Volksbegehren in den Abstimmungskampf einschalten, die nicht aus ihrer Küche stammen, durchaus mehr Platz in den Medien erhalten: So hat etwa die Ja-Parole der Grünen Partei zum bedingungslosen Grundeinkommen – die Grünen sind die einzige im nationalen Parlament vertretene Partei, die das Begehren unterstützen – für Schlagzeilen gesorgt. Die SP wiederum dürfte hier von Mitnahmeeffekten profitieren: Die gehäufte Nennung der Sozialdemokraten in Online-Medien berichten zum bedingungslosen Grundeinkommen dürfte auch damit zu tun haben, dass das Begehren aus ideologischer Perspektive als eher linkes Anliegen betrachtet wird - was sich ja durchaus auch an den abweichenden Parolen einzelner Kantonalsektionen der SP zeigt.

Abbildung 3: Die Parteien und die Volksinitiative 'Für ein bedingungsloses Grundeinkommen' in den Online-Medien


Bemerkungen: Untersuchungszeitraum: 1.1.-3.6.2016; 82 Schweizer Online-Medien; 1040 Artikel mit 1377 Parteinennungen. Die Kalenderwochen 01-10 wurden aufgrund der geringen Anzahl Artikel (Parteinennungen<200) nicht abgebildet.

Referenden als Schwungrad?
Wie sieht es nun aus mit dem Referendum gegen die Änderung des Asylgesetzes? Kann die SVP ihr Veto gegen den Bundebeschluss ebenfalls als Vehikel für mehr Online-Medienaufmerksamkeit nutzen? Mit Blick auf die vergangenen Jahre wäre eigentlich zu erwarten, dass die SVP aus ihrem Referendum viel Kapital schlägt. Nicht nur, dass sich die Volkspartei in den letzten Jahrzehnten zur eigentlichen Meisterin der Kampagnenführung gemausert hat (vgl. dazu die Analyse zur Durchsetzungsinitiative), sondern mit der Asylpolitik ein Thema praktisch für sich alleine besetzt.

Alleine, die Analyse der Artikel, in denen der Begriff „Asyl“ verwendet wird, zeigt ein ganz anderes Bild. Zwar wird die SVP im Zusammenhang mit diesem Begriff wesentlich häufiger genannt als alle anderen Parteien, ein zu erwartendes Kampagnenfeuerwerk lässt sich aber überhaupt nicht nachzeichnen. Ganz im Gegenteil etwa zur Durchsetzungsinitiative nimmt der Anteil Nennungen der SVP in asylpolitisch relevanten Artikeln in den acht Wochen vor den Juni-Abstimmungen sogar leicht ab.

Abbildung 4: Die Parteien und das Thema 'Asyl' in den Online-Medien



Bemerkungen: Untersuchungszeitraum: 1.1.-3.6.2016; 82 Schweizer Online-Medien; 12'100 Parteinennungen. Die Kalenderwochen 01-10 wurden nicht abgebildet.

Bewahrheitet sich hier der von der SVP gemachte Vorwurf, dass die Medien die Anliegen der Volkspartei ignorieren? Wohl kaum. Keine andere Partei verstand es in den letzten Jahren besser, mit medienrelevanten Ereignissen Aufmerksamkeit zu generieren. Als alternative Interpretation drängt sich eher die Vermutung auf, dass sich die SVP beim Abstimmungskampf zum Asylreferendum überraschend stark zurückhält. Ein Indiz dafür ist auch der ungewöhnlich stille Auftritt im Inserate- und Plakatwerbungsmarkt. Ob dies damit zu tun hat, dass die SVP die eigenen Mittel für andere Kampagnen spart oder damit, dass sie sich mit dem zweiten Bundesratssitz künftig weniger oppositionell gebärden möchte, kann mit Chronik-ON nicht beantwortet werden. Aus Sicht der Kampagnenforschung ist der vergleichsweise sehr laue Auftritt der SVP in ihrem eigentlichen Kernthema aber schon überraschend.

Fazit: Meinungsbildung in der direkten Demokratie
Die Analysen von Chronik-ON zeigen, dass Parteien aus der direkten Demokratie Profit ziehen können: Ein eigenes Initiativbegehren kann tatsächlich als Schwungrad dienen und im Verhältnis zu mehr Online-Medienaufmerksamkeit führen. Freilich steuert die Partei aktiv mit, ob sie diese Aufmerksamkeit auch erhält oder nicht. Zudem gibt es Parteien – allen voran die SVP – die den Tanz mit den Medien besser beherrschen als andere. Die direkte Demokratie bietet aber letztlich für alle Parteien auch abgesehen von eigenen Initiativbegehren mancherlei Möglichkeiten, mediale Aufmerksamkeit zu generieren.

Weil sich viele Bürgerinnen und Bürger an den Argumenten ihrer Partei orientieren, sind Parteien wichtige Sprachrohre. Indem sie sich aktiv mit ihren Argumenten für oder gegen eine Abstimmungsvorlage einsetzen leisten sie einen zentralen Beitrag für die Meinungsbildung.

Die insbesondere in den acht Wochen vor der Abstimmung abflachenden Kurven hinsichtlich Parteinennungen bei den vier von Chronik-ON betrachteten Abstimmungsvorlagen vom 5. Juni scheinen aber nahe zu legen, dass die Parteien diesen Beitrag nur in mässigem Umfang leisten. Freilich bleibt die Frage, ob die Parteien von den Online-Medien einfach zu wenig stark beachtet werden oder ob sie ihre Einmischungsversuche zu wenig medienwirksam verpacken. 
 
  Schweizer Politik in den Online-Medien
 
 
Parteien vereint im Widerstand gegen bedingungsloses Grundeinkommen.
[thumbnail] Die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen ist aus Sicht der Gegner ein gefährliches Experiment. Ein Ja beim Urnengang vom 5. Juni würde das gesamte Wirtschafts- und Sozialsystem auf den Kopf stellen, warnt das Nein-Komitee.
Der Landbote, 03.05.2016
 
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20 Minuten (DE), 06.05.2016
 
Asilo: giovani Verdi raccomandano scheda bianca il 5 giugno.
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Giornale del Popolo, 07.05.2016
 
SVP-Delegierte sagen klar Ja zur "Milchkuh-Initiative".
Langenthal BE (awp/sda) - Die SVP Schweiz sagt klar Ja zur "Milchkuh-Initiative", mit 484 zu 5 Stimmen. Das revidierte Asylgesetz, gegen welches die Partei das Referendum ergriffen hatte, fiel an der Delegiertenversam...
Cash, 23.04.2016
 
Die Umfrageergebnisse auf einen Blick.
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Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), 25.05.2016
 
Une initiative vraiment «Pour le service public»?
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L’initiative «Pro Service public» doit être soutenue parce qu’elle vise à soustraire les anciennes régies à la logique du marché, est convaincu Denis de la Reussille, conseiller national PST/POP neuchâtelois. Pour la socialiste Maria Bernasconi, à la tête de l’Association du personnel de la Confédération, l’initiative est au contraire une tromperie


Le Temps, 28.05.2016
 
Andreas Meyer: Buhmann des Service public.
[thumbnail] Der SBB-Chef ist beliebte Zielscheibe all jener, die den Abbau des Service public beklagen. Sein Ruf ist dabei schlechter als seine Leistung. Das hat sich der geschliffene Manager jedoch selber eingebrockt.
Neue Zürcher Zeitung/NZZ am Sonntag, 24.05.2016
 
Eidgenössische Abstimmungen: Parolenspiegel für den 5. Juni.
[thumbnail] Am 5. Juni wird das Schweizer Stimmvolk zur Urne gebeten. Die politischen Parteien und Interessensvertretungen haben ihre Parolen gefasst. Finden Sie hier einen Überblick über alle Wahlempfehlungen.
Neue Zürcher Zeitung/NZZ am Sonntag, 13.05.2016
 
Chronik-ON analysiert die Politikberichterstattung in den wichtigsten Schweizer Online-Medien. Untersucht werden die Präsenz von Politikerinnen und Politikern und ihren Parteien, die Konjunktur von Themen bei Wahlen und Abstimmungen sowie deren medial begleitete Aufnahme und Bewirtschaftung durch die Parteien.
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